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Compendium No II New

33 Der wahre Hammer Ein Hammer und eine Fliegenrute auf einen Nenner zu bringen ist abstrus Eines der allerältesten Argumente, die Fliegenrute mit Daumen oben zu führen, ist die sogenannte „Hammertheorie“. Sie geisterte vor rund 60 Jahren in der englischen Fliegenfischer-Szene herum – und lebt heute offenbar wieder auf. Pardon, aber ein dreihundert Gramm schwe- rer, gegen drei Meter langer Holzstecken mag ja wenigstens in Sachen Gewicht eine gewis- se Ähnlichkeit mit einem Hammer gehabt haben. Nicht aber, was den Arbeitseinsatz betrifft, ich komme bald darauf zurück. Heute wiegen auch kräftige Einhand-Fliegen- ruten keine hundert Gramm mehr und sind doch weit leistungsfähiger als die früher trägen Fliegenruten mit ihrer sehr niedri- gen Elastizität, etwa sechsmal niedriger als bei modernen Kohlefaser-Blanks! Zudem haben auch die Fliegenschnüre eine enorme Entwicklung durchgemacht und lassen sich heute weit effizienter einsetzen. Dass die Fliegenrollen kaum noch die Hälfte oder sogar weniger wiegen, weiss man auch. Dazu hin ist die Analytik der modernen Fliegenfischer-Schule im Laufe der letzten Jahrzehnte so weit fortgeschritten, dass ein moderner Wurfstil schlicht und einfach „keine“ Hammer-Kraft mehr braucht, um eine Fliege auch auf weitere Distanz zu präsentie- ren. Darf ich auch einmal den Begriff „nach meinem Gefühl“ verwenden? Ich meine, dass der Kraftaufwand, eine Fliege mit einer 9-Fuss-Graphit-Fliegenrute der Klasse 7 auf 20 Meter zu servieren, etwa sechs mal geringer ist als mit einer gleich langen historischen Greenhart- oder Bambus-Fliegenrute nebst schwerer Fliegenrolle und einer rauhen, trägen Fliegenschnur. Vielleicht ist es auch nur fünfmal oder von mir aus auch viermal weniger Kraftaufwand. Jedenfalls ist es eine dermassen grosse Differenz, dass ich nicht im Entferntesten ver- stehen kann, warum das Hammer-Argument auch in der heutigen Zeit, in diesem Jahrhun- dert noch, als Begründung für die Daumen- haltung der Fliegenrute dienen soll. Keine Missverständnisse. Jeder darf nach seiner Façon glücklich Fliegenfischen, von mir aus auch mit Daumen oben. Diese Haltung der Fliegenrute hat ja auch heute noch ihre Berechtigung. Den Grund nannte ich in meinem DVD „Faszination Fliegenwerfen“ aus dem Jahre 1997 und ich habe auch gleich ein praktisches Beispiel dafür geliefert: Wenn ein Fliegenfischer im Boot zwischen einem zwei- ten Fliegenfischer und dem Bootführer sitzt. Dann muss er ja die Fliegenrute ganz direkt vor seinem Gesicht führen – und dort – und nur dort ist diese Daumenhaltung ideal. Also eigentlich genau dort, wo man die Rute auch tatsächlich wie einen Hammer führt. Mit einem Hammer schlägt man Nägel ein. Wenn man Bretter nagelt, dann legt man die- se auf einen Tisch oder eine Werkbank oder einen Bock und nagelt nicht direkt vor dem Gesicht, sondern von oben nach unten. Und diese Szene ist sogar in Fliegenfischer-Lehr- büchern so dargestellt. Nur – und nun kommt sie meine direkte Frage – fischen wir denn nach unten mit der Fliege, oder doch nach vorn? Wenn Sie meiner Ansicht sind - nämlich vorne und nicht unten - dann sollten Sie solch veralteten Argumenten keinesfalls folgen und die Hammer-Theorie vergessen. Man wird natürlich einwenden, dass doch auch Nägel in eine Wand geschlagen werden, um ein Bild daran aufzuhängen. Also doch nach „vorne“. Richtig, richtig. Nur, bitte neh- men Sie nun doch einmal einen Hammer und einen Nagel in die Hand und schlagen diesen in eine Wand. Beim zweiten Nagel achten Sie sich dann einmal darauf, wo sich Hammer und Nagel befinden! Irgendwo anders als direkt vor Ihrem Gesicht? Nun versuchen Sie das Gleiche, indem Sie den Nagel ausserhalb der mittleren Körper- achse Ihrer Hammerhand führen, also deut- lich rechts von Ihnen oder halt links wenn Sie Linkshänder sind. Einfach dort, wo Sie Ihre Fliegenrute führen. Bitte machen Sie das mal, wirklich, ich meine das ernst und auch mein gut gemeinter Rat ist ehrlich, dass Sie sich einen Schutz für die Nagelhand besorgen und diesen auch verwenden sollten. Denn dort hauen Sie mit jeder Garantie drauf. Also – was bleibt denn von der Richtigkeit der Hammertheorie übrig? Die Tatsache, dass man sie „schon früher“ propagierte und verwen- dete? Da wird einfach eine alte Theorie über- nommen, man kann es auch abgeschrieben nennen, was sich ja von vielen Fachbüchern sagen lässt – nicht nur in der Fliegenfischer- Buchszene - aber in dieser ganz besonders. Kurz, welches ist das rein fachliche, sachliche Argument, in der heutigen Zeit das Wort Ham- mer in Verbindung mit dem Fliegenwerfen überhaupt noch zu erwähnen? Man(n) nenne mir eines! Aber bitte nicht jenes, dass bekannt grosse Fliegenfischer-Lehrer diese Hammertheorie vertraten und vertreten. Oder, dass Millionen von Fliegenfischern vielleicht sogar wegen der Hammertheorie mit der Daumenhaltung werfen. Es gibt schliesslich auch Millionen von Menschen, die das eine oder andere tun, was man keinesfalls tun sollte, weder freiwil- lig noch mutwillig. Beispiele darf sich jeder selber ausdenken. Nein, ich meine ein anderes, anatomisch korrektes Argument! Falls auch Ihnen keines einfällt, sollten Sie endlich die Hammerthe- orie zu den alten Akten der Fliegenfischerei ablegen. Nicht despektierlich, nein, sondern mit aller Achtung vor dieser Generation Fliegenfischer, die ja immerhin sogar mit der Hammertheorie einen Schritt zur heutigen, modernen Fliegenwurftechnik beigetragen hat. Vor 60 Jahren.

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