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Fliegenfischen im Südtirol

von Viktor Keller


Die Ferien stehen vor der Tür und noch ist nicht entschieden, wohin es gehen soll. Kommt Ihnen das bekannt vor? Klar ist einzig, dass dem Fliegenfischen ein hoher Stellenwert zukommen muss. Broschüren und Magazine werden durchgesehen, Freunde um Tipps gebeten. Nach einigem Hin und Her entscheiden sich meine Frau und ich für das Südtirol. Genauer für Gargazon, einen kleinen Ort zwischen Meran und Bozen am östlichen Rand des Etschtales gelegen und mit einem angenehmen, mediteranen Klima gesegnet. Unsere Erwartungen sind hoch, besonders was die Fischerei angeht. Nach Jahren der Fliegenfischerei in Neuseeland und Australien, vermissen wir die Vielfalt und leichte Verfügbarkeit der Gewässer in diesen Ländern und hoffen, im Südtirol Linderung für unser Fernweh zu finden.



Bereits die Anfahrt über den Reschenpass Ende Mai wird zum grossartigen Erlebnis. Schroffe, schneebedeckte Gipfel, spärlich bewachsene Trockenhänge und in allen Farben blühende, mit viel Aufwand bewässerte Wiesen ziehen unsere Blicke auf sich. Zahllose Burgen und Schlösser thronen noch auf dem schmalsten Bergrücken und zeugen von einer spannenden und wechselhaften Geschichte. Nach einer kurzweiligen Reise treffen wir in Gargazon ein. Die Einführung durch Robert Pegoretti, Hausherr und selber ein begeisterter Fliegenfischer, verspricht viel. Vom kleinen Hochgebirgsbach mit schneller Strömung bis zum breiten Fluss reicht das Spektrum; alles zusammen mehr als 200km Gewässerstrecke, dazu zwei Stauseen.



Wir beschliessen, als erstes die Falschauer zu befischen, einen kristallklaren Bergbach mit Bachforellen, Marmoratas und Saiblingen. Mit kurzem Vorfach, kurzer Schnur und sorgfältigem Anpirschen lassen sich beinahe hinter jedem Stein, in jedem noch so kleinen Hinterwasser Fische überlisten. Die herrlich gefärbten Tiere sind alle in bester Kondition und wehren sich vehement dagegen, von der widerhakenlosen Trockenfliege befreit zu werden. Wir sind erstaunt über Anzahl und Grösse der Fische in diesem eher kleinen Gewässer und vergessen beinahe, immer mal wieder eine Pause einzulegen und die tolle Umgebung zu geniessen. Hoch über unseren Köpfen, an unglaublich steilen Hängen, bringen Bauern in mühevoller Handarbeit das Heu ein und stattliche, von der Sonne beinahe schwarz gebrannte Holzhäuser scheinen auf uns herabzublicken.



Die Talfer, unser nächstes Ziel, weist völlig unterschiedliche Abschnitte auf. In Bozen selber und direkt oberhalb der Stadt ist die Talfer ein breiter Fluss, von Querschwellen in kürzere und längere Abschnitte mit zum Teil tiefen Kolken unterteilt; das Tal ist weit und offen. Bei aussergewöhnlich heissem Frühsommerwetter ist hier während des Tages nicht viel los. Am Abend lässt sich jedoch eine spannende Fischerei auf überall steigende Fische erleben, deren Verbleib in den heissen Tagesstunden fast schon Rätsel aufgibt. Oberhalb von Bozen wird das Tal der Talfer schnell eng, das Gefälle steiler und die Sonne dringt nur noch für kurze Zeit bis ans Wasser vor. Hier gelingt es uns auch tagsüber, regelmässig Fische zu fangen. Vorallem schöne Bachforellen mit goldgelben Flanken und grossen roten Punkten steigen auf die angebotenen Trockenfliegen, die grösste Forelle ist über 45cm lang. Wir geniessen es, in kurzen Hosen, mit stabilen Watschuhen und Neopren-Watsocken ausgerüstet, den ganzen Tag über Stock und Stein zu klettern und hinter jeder Biegung des Baches eine neue Entdeckung zu machen.



Während unserer dreiwöchigen Ferien gehen in der Region beinahe jede Nacht Gewitter nieder, die für kurzzeitige Trübung einzelner Bäche sorgen und sie damit zeitweilig unfischbar machen. Die Zahl der verfügbaren Gewässer erlaubt es aber immer, auszuweichen. Meistens sind wir alleine unterwegs, nur an den Wochenenden begegnen uns andere Fischer. So vergeht die Zeit im Nu und das Wandern, der Besuch von Ausstellungen und Museen, der Genuss der kulinarischen Köstlichkeiten und der guten Weine des Südtirols kommen beinahe zu kurz. Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als wieder nach Gargazon zu fahren.



Unterkunft: Pension Sonnheim, Gargazon. Besitzer: Verena und Robert Pegoretti. Direktwahl Tel europaweit 0039 0473 29 23 47. www.sonnheim.com und info@sonnheim.com Gemütliches, familienfreundliches Haus mit Schwimmbad. Gutes Preis-/Leistungsverhältnis.

Preise für Tageskarten: Je nach Gewässer von 12 bis 40 Euro. Kartenausgabe für über 200km Gewässerstrecke durch Robert Pegoretti.

Anmerkung: Einige Gewässer sind während der Schneeschmelze nicht oder nur eingeschränkt zu befischen. Bitte vorher bei Robert Pegoretti nachfragen.

Tipps neben dem Fischen:
• Gärten von Schloss Trautmansdorff (Botanischer Garten Meran)
• Therme Meran (Architektonisch interessante Anlage mit Innen- und Aussenpools und zahlreichen Wellness Angeboten)
• Messner Mountain Museen (eines der Lebenswerke von Reinhold Messner)
• Südtiroler Archäologiemuseum mit Ötzi
• Wanderungen entlang zahlreicher Waalwege (meistens mit atemberaubender Aussicht)
• Ausflüge in die Dolomiten
• Südtiroler Weinstrasse
• Törggelen im Herbst (süsser Most und junger Wein mit lokalen Gerichten)

Film
Auch das Team von DMAX war zu Gast bei Robert Pegoretti. Das youtube Video zeigt einen kurzen Ausschnitt aus drei Tagen Dreharbeiten an den verfügbaren Gewässern.
> Hier geht's zum Video