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Wenn einer eine Reise tut, dann... Teil 6

Australien

von Viktor Keller

Cooktown, ein kleiner Ort im dünnbesiedelten Norden von Queensland weitab von jeder Hektik, hat einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen. Zur Abwechslung ein paar Fakten: Bevölkerung von Cooktown ca. 1‘300 Seelen, Fläche Cook Shire (ähnlich unseren Bezirken) 106‘000km2, Bevölkerung Cook Shire ca. 4‘000 Personen, Entfernung zur nächsten Stadt – Cairns – 330km.



Wir treffen zu Beginn der Regensaison im Dezember ein und haben vor, etwas länger zu bleiben, 4-6 Wochen sind geplant. Das daraus am Ende acht volle Monate werden und wir mit unseren Fängen in der Lokalzeitung auftauchen, ahnen wir nicht. Nach 3-4 Wochen sind wir in der kleinen Gemeinde wie zu Hause und werden fast wie Einheimische behandelt. Samstags haben wir jeweils ein fixes Programm. Um 5 Uhr in der Früh sind wir am Bootsanleger - gleichzeitig der wichtigste soziale Treffpunkt im Ort – und fischen, bis es hell wird. Dann helfen wir unserem Freund Roli beim Aufstellen seines Standes am Wochenmarkt und später beim Bedienen seiner Kundschaft. Roli verkauft tolle Schnitzereien, die er selber anfertigt und Wobbler und anderes Strandgut, das er auf seinen regelmässigen Strandgängen findet. So um 12 Uhr herum bauen wir gemeinsam den Stand ab und dann ist eine ausgedehnte Siesta angesagt, bevor wir uns bei Roli und seiner Frau Ricki zu einem kühlen Bier und home made Frühlingsrollen einfinden und den neusten Klatsch austauschen.



Unsere Tage sind ausgefüllt mit Fischen, langen Spaziergängen auf der Suche nach Strandgut und Exkursionen in die Umgebung. Mit unserem kleinen Boot fahren wir hinaus zu den Ausläufern des Great Barrier Reef, sind per Pedes im Regenwald unterwegs oder erkunden alte Goldgräberstätten. Einmal pro Woche besteigen wir den Mount Cook, mit einer Höhe von 430müM kein Riese, aber an klaren Tagen ist die Aussicht auf die Küste und ins Landesinnere spektakulär.



Wenn die Gezeiten ideal sind und der Mond mitspielt, ist Nachtfischen von der alten Brücke am Anaan River angesagt, einige Kilometer südlich. Immer wieder hören wir im Dunkeln Barramundi boofen, ein unmissverständliches Geräusch, das entsteht, wenn ein grosser Barra an der Oberfläche einen Beutefisch einsaugt. Nachts fischen wir meistens mit Gummis und wenn ein Biss kommt, muss alles sehr schnell gehen. Sonst fällt der gehakte Fisch dem alten Zackenbarsch zum Opfer, der unter der Brücke sein Quartier hat. Am Tag sind immer wieder Haie im Fluss unterwegs und machen uns die Beute streitig, dann bleibt von einem Fang regelmässig nur der Kopf übrig.

Ebenfalls ein Top Fishing Spot ist die Bootsanlegestelle im Ort. An der Mündung des Endeavour Rivers gelegen, mischen sich hier Salz- und Süsswasser und die Artenvielfalt ist erstaunlich gross. Barramundi, verschiedene Stachelmakrelenarten, Tarpon und viele Riff-Fische fangen wir. Unter der Anlegestelle haben sich gleich mehrere Zackenbarsche häuslich eingerichtet, der Grösste ist mehr als 2m lang und einige hundert Kilo schwer. Als wir wieder einmal - den Haien sei Dank - nur das Vorderteil eines Barracudas landen und der grosse Zackenbarsch versucht, uns auch das noch abzujagen, drängen mich die zahlreichen Zuschauer, den Barracuda dem Zackenbarsch zu verfüttern. Gesagt, getan! Ich knote den immerhin noch etwa 60 cm langen Fischkörper an ein Stück 1.5mm (!) Nylon und lasse ihn langsam runter. Wie der Blitz erscheint der Zackenbarsch an der Oberfläche und ein allgemeines Geschrei geht los, weil noch kein Fotoapparat schussbereit ist. Schnell ziehe ich den Köder hoch und senke ihn wenig später langsam wieder. Der böse malträtierte Barracuda berührt noch nicht einmal die Wasseroberfläche, als der Zackenbarsch explosionsartig sein riesiges Maul öffnet und den Köder verschluckt, als wär’s ein Läugel. Das dicke Nylon reisst, ohne dass ich den geringsten Zug spüre!