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Dekoration
Aus der PETRI NEWS 186-2014

James Fond 008

Dekoration

«Auch da waren sie zu finden: die Aceto Balsamico Schlierggen!»

Ich gehöre, auch mit über 70 Lenzen zählend, nicht zu den Vorgestrigen, die meinen, alles Gute, und so auch das gute Essen müsse heute noch „wie bei Muttern“ daher kommen. In meiner Küche stehen immerhin auch Sous-Vide Geräte. Aber heute wird oft weit über das Ziel hinaus geschossen, hier ein paar Beispiele.

Wir sitzen in der Bar eines noblen Hotels im Westen Irlands und schauen uns einen WM-Match aus Brasilien an. Nach den Drinks stellt sich auch der Hunger ein und, weil man dort angeblich gut isst, bestellen wir Barfood. Scampi Tempura für mich, Calemare fritto für die Heidi. Auf beiden Tellern sehe ich quer drüber zwei braune Streifen (vermutlich als Dekoration gedacht), was mich veranlasst mit dem Zeigefinger zu probieren, was das denn so sein könnte. Eine böse Ahnung hat mich schon gepackt. Ja es ist, Sie haben richtig geraten, Aceto Balsamico. Und zwar von der billigsten Sorte, dickflüssig, aber zuckersüss, vermutlich ist auch noch der Aceto von Givaudan. Die Pointe: Zwei unserer Truppe bestellten Dessert: Richtig! Auch da waren sie zu finden: Die Aceto Balsamico Schlierggen.

Ein und Alles, so meint die heutige Kochgeneration, muss dekoriert werden und ich habe bald das Gefühl, dass von den vier Jahren einer ordentlichen Kochlehre (in den USA geht das in einer Woche! Und wer es beim Fastfooder nach einem Tag nicht begriffen hat, kann wieder nach Hause gehen) zwei Jahre davon für das Lernen und Üben von Dekorationen drauf gehen.

Schon früher erlag man diesem unsinnigen Wahn, indem man zum Schnipo das unvermeidliche grüne Salatblatt mit Tomate drauf reichte. Ich verlangte immer als Erstes einen Teller um das Zeug zu deponieren und gleichzeitig ein halbe Zitrone, anstelle der dünnen Scheibe, welche wohl eher als Dekoration gedacht war, denn um das Schnitzel zu beträufeln eignet sie sich nicht. Zum Hände reinigen schon.

Manch Aufgetragenes kann man visuell bereits als kleines Kunstwerk betrachten – nur leider ist alles schon bald kalt. Kein Wunder, bei der Zeit, die es braucht um den Teller oder die Platte zu dekorieren. Und der Gedanke daran, dass da Einer oder Eine, das Ganze im Detail in den Händen hatte, macht mich auch nicht glücklich.

Ein Kalbskotelett bekam ich beim 18-Punkter in 3 Variationen auf dem logo reichlich dekorierten Teller (Rechteckig!) serviert, beim 16-Punkter ein Geschnetzeltes mit Rösti in 2 grossen (runden) sehr tiefen Tellern. Bei der Anna in der Post in Volken (ZH) kommt beides auf einem Teller daher. Nur besser. Qualität kommt vor Kreativität.