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Kontraproduktiver Tierschutz

Aus der PETRI NEWS 175-2013


 H.R. Hebeisen  
 

Kontraproduktiver Tierschutz

«Erst wenn Leute, die keine Ahnung von den Realitäten haben, das Wort ergreifen, wird es problematisch.»

Es gibt in unserer Welt sehr viele nette Menschen, die ernsthaft daran glauben, dass es unseren Wildtieren viel besser ginge, wenn die Jäger ihre Flinten und Gewehre entsorgen. Was wäre das doch für ein Segen, wenn Rehlein und Häschen die Grünröcke nicht fürchten müssten. Denken sie. Wenn auch noch wir Fischer die Angelruten für immer in Museumsvitrinen entsorgen, dann wäre die Welt in paradiesischer Ordnung, weil ja auch die Fischlein den Menschen nicht mehr fürchten müssten. Denken sie.

 

Der Traum von der perfekten Harmonie begeistert unsere Welt umso mehr, je mehr wir sie so belasten und zerstören, dass die Wildtiere grossflächig Heimat und Lebensgrundlage verlieren – und das Jagen und das Fischen sich in gar nicht so ferner Zeit mangels Beute wohl ganz von selbst erledigen, obwohl Natur- und Artenschutz in aller Munde sind in dieser, unserer Welt.

 

Ich sage sehr bewusst nur unsere Welt, und nicht unsere zivilisierte Welt. Denn das, was man täglich in den Medien erfährt, hat ja oft sehr wenig mit Zivilisation zu tun. Und ich sage mit Absicht auch unsere Welt, weil ich die Naturvölker nicht mit einschliessen will. Nicht, weil man diese in unserer unendlichen Überheblichkeit gerne als primitive Völker bezeichnet, sondern weil diese zum Thema Tierschutz ein realistischeres Verhältnis haben. Für sie heisst Tierschutz, nur soviel an Wildtieren zu erbeuten, dass Mensch und Tiere auch in der Zukunft nicht verhungern müssen.

 

Wenn Menschen in einer Sache völlig anderer Ansicht sind, ist das noch längst kein Problem. Erst wenn Leute, die keine Ahnung von den Realitäten haben, das Wort ergreifen, wird es problematisch. Zum Beispiel dann, wenn solche Leute die Jagd und die Fischerei verteufeln, laut und vehement, aber ohne fundiertes Wissen in der Sache. Dann wird Sendungsbewusstsein rasch zur Intoleranz und schadet auch der Sache von Natur und Wildtieren.

 

Einen solchen Schaden hat bei uns in der Schweiz der Kanton Genf zu erdulden. Die Genfer beschlossen dereinst in einer Volksabstimmung, dass die Jagd im ganzen Kanton verboten wird. Resultat: Das Wild muss nun von staatlich bezahlten Wildhütern geschossen werden. Statt der saftigen Gebühren, die der Kanton zuvor von den Jägern kassierte, müssen die Steuerzahler nun viel Geld für die nötige Hege aufbringen, rund 2000 Franken für den Abschuss einer einzigen Sau. Nicht sehr klug, oder? Aber halt eben, pardon, Genf.

 

Ein prägnantes Beispiel aus weiter Ferne. In den USA gab es dereinst Millionen von Wildpferden. Sorglos wurden sie geschlachtet und zu Steaks, Tierfutter und Dünger verarbeitet. Richtig, dass die Obrigkeit eingriff, als es im Jahr 1970 nur noch 17'000 solche Tiere gab. Nur, der Eingriff war so rigoros, dass sich die Pferde ein Jahrzehnt später dermassen vermehrt hatten, dass sie den anderen Tieren das Futter weg frassen und diese verhungerten. Ergo musste man die Beschränkung reduzieren. Aber das gelang nicht so recht, denn die Auflagen waren so hart, dass die überzähligen Wildpferde nicht einmal für zehn Dollar das Stück an den Mann zu bringen waren. Die Behörden sind verzweifelt. Wen wundert’s?

 

Wenn doch endlich auch diejenigen über den eigenen Tellerrand schauen möchten, die sich nicht wirklich um das Leben aller Art in der freien Natur kümmern und doch so laut darüber reden. Sie müssten dann erkennen, dass das vorhandene Futter, sei es im Fluss oder im Wald und auf den Feldern, nur zur Ernährung einer bestimmten Menge von Fischen und Tieren reicht. Der Fischer und der Jäger, das sind die Heger. Sie haben das ureigene Interesse, die Wildtiere und deren Lebensraum zu erhalten. Und sie sind diejenigen, welche beispielsweise dem deutschen Forst Grenzen aufzeigten, als dieser den rigorosen Abschuss von Reh, Hirsch und Gams forderte, um den wirtschaftlichen Nutzen der Wälder zu steigern. Und sind es nicht zuvorderst die Fischer, die dem Staat entgegentreten, wenn dieser die letzten Wildbäche mit Beton begradigen und zum Stromproduzenten degradieren will – ohne Rücksicht auf den Lebensraum der Fische?

 

Wenn doch auch die Ahnungslosen unter den Tierschützern begreifen möchten, dass ihre Wahrheit allzu oft der Wirklichkeit sehr fern ist. Und dass es nicht genügt, im guten Glauben Unwahrheiten nachzuplappern. Glauben heisst bekanntlich nichts zu wissen.

H.R. Hebeisen